Ein pragmatischer Vorschlag zum Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare

veröffentlich am 10. Juni 2015, Foto: Fotolia Ich habe immer für die rechtliche Gleichstellung der lesbischen und schwulen Lebenspartnerschaft mit der Ehe gekämpft. In Ehen und Lebenspartnerschaften übernehmen Menschen gleichermaßen Verantwortung füreinander, stehen in guten und in schlechten Zeiten füreinander ein, sind bereit, dies vor dem Staat und evtl. vor Gott zu bezeugen und somit auf eine schnelle, folgenlose Exit-Option zu verzichten. Eine Ungleichbehandlung dieser beiden Institute durch den Staat lässt sich meines Erachtens nicht rechtfertigen. Und, so habe ich immer an die Konservativen in meiner eigenen Partei gerichtet argumentiert, es sind gerade die Konservativeren unter den Schwulen und Lesben, denen ein solches verbindliches Institut wichtig ist (weswegen es ja auch eine interessante Debatte in der homosexuellen Community gibt, warum um Himmels willen man es den Heteros bzgl. dieser „spießigen Ehe“ unbedingt gleichtun wolle?!? Ja, wollen viele, weil es nicht von der sexuellen Identität eines Menschen abhängt, ob man konservative Werte vertritt). Ich habe für meine Überzeugungen in der Union immer geworben. Als sie dort nur von einer kleinen Minderheit vertreten wurden und sich die LSU, die Lesben und Schwulen in der Union, gerade erst deutschlandweit aufbauten. Und auch jetzt, wo diese Meinung in der Union wesentlich verbreiteter ist. Weil ich mich mit meinem eigenen hessischen Landesverband nicht einigen konnte, ob wir auch homosexuellen Lebenspartnerschaften das Ehegattensplitting gewähren sollten (inzwischen Realität), habe ich zur Bundestagswahl 2013 auf die Spitzenkandidatur der CDU Hessen verzichtet. Also müsste ich doch jetzt auch für die #Ehefüralle eintreten? Ich habe da ein Problem. Denn mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare würden wir implizit auch einen weiteren Bereich regeln, den ich sehr wichtig finde. Schließlich bedeutet die #Ehefüralle wahrscheinlich auch das volle Adoptionsrecht für Homosexuelle. Und an dieser Stelle habe ich Zweifel. Homosexuelle Eltern können alles, was heterosexuelle Eltern auch können. Sie lieben ihre Kinder genau so, sie tragen die gleiche Verantwortung, sie trösten, sie setzen Grenzen, sie lesen vor, sie wechseln Windeln, sie fragen Vokabeln ab, sie verzweifeln an pubertierenden Kindern – alles wie bei Heteros. Es gibt nur eine einzige Sache, die homosexuelle Eltern nicht bieten können: Verschiedengeschlechtlichkeit. Ein Kind von Homosexuellen wächst logischerweise immer nur mit Eltern eines Geschlechts auf. „Na und?“, sagen jetzt viele. „Wo ist das Problem? Es sind doch zwei Menschen!“ Wenn man, wie viele Anhänger der Gendertheorie, Geschlecht für ein soziales Konstrukt hält, das mit der Biologie des Menschen nicht oder nicht viel zu tun hat, dann kann man so argumentieren. Ich allerdings bin der Überzeugung, dass die Natur schon eine Rolle spielt. Dass die Einflüsse von Natur und Kultur 50: 50 sind, vielleicht auch 60:40 oder 40:60, dass es auf jeden Fall eine Rolle spielt, ob ein Mensch biologisch ein Mann oder eine Frau ist. Und dass dies eben auch für die Erziehung von Kindern eine Rolle spielt. Ich bin der Überzeugung, dass es für Kinder am besten ist, wenn ihre engsten Bezugspersonen – und das sind meist die Eltern – beiden Geschlechtern angehören. Die Literatur über Erziehung beschreibt in vielen Punkten, wie sich das Verhältnis von Kindern zu Mutter oder Vater i. d. R. unterscheidet. Sei es im Spielverhalten, im Bindungsverhalten oder beim Spracherwerb. Als Familienministerin habe ich das Programm „Mehr Männer in Kitas“ initiiert, das sich für mehr männliche Erzieher einsetzt. Dafür habe ich viel Beifall bekommen, in allen politischen Lagern fand man es wichtig, dass Kita-Kinder auch mehr Männer als Bezugspersonen haben. Wenn es hier ein wichtiges Ziel ist, Frauen und Männer als Bezugspersonen zu haben, dann doch erst Recht bei der ungleich existentielleren Wahl von Adoptiveltern! Ich weiß, dass es sozial- und entwicklungspsychologische Studien gibt, die nahelegen, dass es irrelevant sei, ob Kinder bei homo- oder heterosexuellen Eltern aufwachsen. Wer sich diese Studien genauer anguckt, wird allerdings feststellen, dass es weltweit nur sehr wenige sind, die sich vergleichend mit homo- und heterosexuellen Familien beschäftigen. Ferner sind die wenigsten Studien repräsentativ, die Fallzahlen der Untersuchten gering und Urteile über die Entwicklung des Kindes oftmals nur auf Aussagen der Adoptiveltern gestützt. Mir scheint es so zu sein, dass noch keine Seite – weder die der Befürworter der Adoption durch Schwule und Lesben, noch ihre Gegner (und ich auch nicht!) – hinreichend Studien vorweisen kann, die die eigene Argumentation mit hoher wissenschaftlicher Evidenz unterstützt. Solange das aber so ist, sollten wir meines Erachtens vorsichtig sein. Wir sollten andererseits aber auch nicht die Bedeutung der Verschiedengeschlechtlichkeit überhöhen. Sie ist wichtig für Kinder, aber nicht wichtiger als alles andere. Mindestens so wichtig wie die Verschiedengeschlechtlichkeit ist es, wie harmonisch Eltern miteinander umgehen und wie stabil und entwicklungsfördernd das Familienleben ist – das wiederum können homo- und heterosexuelle Paare gleichermaßen bieten. Aufgrund dieser Überlegungen wäre mein praktischer Vorschlag für das Adoptionsrecht folgender: Ich würde schwulen und lesbischen Paaren das volle Adoptionsrecht geben. Ich würde bei der Abwägung, zu welchen Adoptiveltern ein Kind kommt (und fast immer gibt es sehr viele Bewerber um ein Adoptivkind), aber die Verschiedengeschlechtlichkeit als ein wichtiges Abwägungskriterium festlegen. Wenn bei einem homo- und einem heterosexuellen Paar alle anderen Parameter, die bei der Auswahl von Adoptiveltern entscheiden, gleich sind, würde ich dem heterosexuellen Paar den Vorzug geben. Wenn aber zum Beispiel das homosexuelle Paar in den ersten Jahren mehr Zeit für das Kind hat, kann dies ein Argument sein, das schwerer wiegt als Verschiedengeschlechtlichkeit und rechtfertigen, dem homosexuellen Paar den Vorzug zu geben. Das hieße, dass homosexuelle Paare etwas schlechtere Chancen auf ein Adoptivkind hätten, ganz klar. Das ist ungerecht. Aber die Frage, wo Kinder aufwachsen, darf nicht nach Gerechtigkeitserwägungen bzgl. der potentiellen Adoptiveltern entschieden werden. Sondern allein nach der Frage des Kindeswohls.
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